Sporttourismus in den Alpen
Stolz ragen sie auf, die Ziele jahrelanger Sehnsucht – herrlicher Träume –; …. Schwermut erfaßt uns bei dem Gedanken des Abschiedes! …. Wir wandern … still hinaus aus der liebgewordenen, sehnsuchterweckenden Bergeinsamkeit zu den Menschen – zur Alltäglichkeit!
Alfred von Radio-Radiis, 1903
Als Horace de Saussure 1786 die Erstbesteigung des Montblanc initiierte, legte er auch den Grundstein für den Sporttourismus in den Alpen. Welche Veränderungen dieser seither erfuhr und welche Folgen das für Mensch und Umwelt hat, ist Gegenstand von Sporttourismus in den Alpen.
Sport und Tourismus sind in ihrer Praxis oft nicht voneinander zu trennen: Sportler reisen, Touristen treiben Sport. Die Wissenschaft jedoch schenkte dieser Verbindung bis dato wenig Beachtung. Vor diesem Hintergrund wird am Beispiel des Bergsports in den Alpen die Genese des Sporttourismus rekonstruiert.
Im Mittelpunkt der Analyse steht die Frage, ob dieser ein eigenständiges funktionales Teilsystem darstellt.
Die Ausdifferenzierung des Systems Sporttourismus setzte im späten 18. Jahrhundert ein. Der aufstrebende Bergsport traf den Nerv der Zeit, und so gründeten sich die ersten Alpenvereine, und ein dichtes Netz aus Wegen und Hütten überzog alsbald die Alpen. Diese erste Phase erschloss die Alpenwelt für die Menschheit.
Ziel war fortan, die Menschheit für die Bergwelt zu erschließen. Zur Sicherung seines Fortbestandes musste das System möglichst breite Bevölkerungskreise einbeziehen. „Sporttourismus für alle“ forderten vor allem die Alpenvereine und wurden mit rasch ansteigenden Mitgliederzahlen belohnt.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatte sich das System des Sporttourismus vollständig etabliert. Seither bildeten sich immer mehr Subsysteme heraus. Zu Bergwandern und Bergsteigen gesellten sich Skilauf, Klettern und Mountainbiking, die wiederum ihre eigenen Subsysteme nebst der erforderlichen Infrastruktur entwickelten und noch entwickeln, doch die Quantitäten des modernen Sporttourismus haben aus ökologischer Sicht äußerst zweifelhafte Qualitäten.
Immer mehr Menschen bereisen immer kürzer und meist mit dem Pkw die Alpen. Indirekt ist der Sporttourismus deshalb einer der größten Umweltsünder in der hochsensiblen Region.
Weil der Sporttourist die Einsamkeit unberührter Bergnatur, die er eigentlich sucht, gleichzeitig zerstört, weicht die sporttouristische Infrastruktur in immer abgelegenere, bisher noch intakte Regionen aus und gefährdet auch diese. Das Beispiel Skilauf verdeutlicht den Teufelskreis: Die einstige Natursportart entwickelte sich immer mehr zu einer Sportart auf Kosten der Natur. Seilbahnen, Lifte, planierte Berghänge und Gletscherskigebiete sind die Abschnitte einer grotesken Entwicklung, deren letzter lebenserhaltender Versuch die Erzeugung von Kunstschnee ist.
Dank eines systemübergreifenden Leitcodes stößt der fortschrittsorientierte Sporttourismus in der nachindustriellen Moderne dennoch an Grenzen. So entwickelt die Politik zunehmend internationale Vereinbarungen zur ökologischen Nachhaltigkeit, wie das Aktionsprogramm „Agenda 21“ und das darauf aufbauende Vertragswerk der „Alpenkonvention“. Die Umsetzung in die Praxis ist jedoch oft schwierig. In der intensiv erschlossenen Region der Ötztal-Arena zum Beispiel stoßen die Richtlinien auf sehr wenig Akzeptanz, weil der Expansion der Infrastruktur weiterhin Vorrang eingeräumt wird.